Julia Belot. Malerei und Grafik

Einführungsrede von Peter Lietz am 29.11.2003 zur Ausstellungseröffnung bei Arts & Crafts.

Als ich vorhin die Muse hatte die Bilder, die in diesen Räumen hängen, in Ruhe zu betrachten, da stellte ich mir die Frage, welchen Titel könnte man dieser Ausstellung geben? Bei der Betrachtung der Verschiedenheit der Bilder, die meisten sind in den letzten zwei Jahren entstanden, kam mir folgende Headline in den Sinn: Julia Belot. Momente – Einblicke in Augenblicke.

Nun kann man sich natürlich fragen, was haben Bahngleise, der Mainzer Dom und Blumenbilder mit Augenblicken oder Momenten zu tun. Momente, verbinden wir eher mit konkreter Handlung, Erlebnissen. Das haben wir in den Kinderbildern und auch in den Portraits. Bei einem Gemälde mit Bahngleisen ist das schon eher fraglich. Aber lassen Sie mich das näher erklären:

Die Bilderwelt von Julia Belot zeigt Sujets, die uns gar nicht so fremd sind: den Blick aus dem Dachfenster, den Waldsaum mit Blumen, Kinder ins Spiel vertieft, die Landschaft im Schnee. Blicke eingefangen in ihrer Heimat Russland, aber auch auf La Gomera, den Malediven, Venedig, der Provence, in ihrer Wahlheimat Wiesbaden, in Mainz und an vielen anderen Orten.

Zufälligkeiten, Szenen und Bilder, die wir meist nur beiläufig im Vorbeigehen wahrnehmen, die zu genießen wir uns kaum die Zeit nehmen, oder, deren Schönheit, Sinn und Sprache wir nicht mehr verstehen; die uns in der Hektik und Eile des Tages schlichtweg entgehen. Wir verweilen nicht mehr! Julia Belot tut genau das für uns.

Es sind keine Postkartenblicke, nicht die großen Motive, die Belot malt, in Venedig zum Beispiel, ist es nicht der Dogenpalast, es sind die stillen Winkel ohne Prunk und frei von Klischees.

Hauptbahnhof Mainz!  Haben Sie da schon mal auf dem Bahnsteig gestanden und nach Osten geschaut, dorthin wo die Gleise unter der Brücke durchführen und im Tunnel verschwinden?  – Ich schon vor langer Zeit, als ich in Mainz studiert habe. Immer dann, wenn ich von der Uni kam und mit dem Zug zurück nach Wiesbaden fuhr. Genau diesen Blick und sogar mein Gefühl dabei, habe ich bei Julia Belot wiedergefunden. Schauen Sie sich das Bild an, ich bin sicher, wenn Sie je dort standen, wissen Sie, was ich meine.

Diese Bilder, Julias Bilder, kommen mit leiser Poesie daher, sie sind einfühlsam, fangen für uns die Schönheit des Augenblicks, sie fangen das Spiel des Lichts mit den Farben, offenbaren uns das Wesen der Dinge, die sie abbilden, ihre Emotion, ihren Charakter.

Die Art und Weise wie Julia Belot sieht, offenbart sich deutlich anhand einer kleinen Anekdote: „Das macht doch Spaß“, hat sie zu mir gesagt,  als ich frustriert darüber war eine Hauswand weiß streichen zu müssen und dann noch: „Die Sonne färbt das Weiß rosa.“ Ich habe einen ganzen Tag lang gestrichen und das Rosa gesucht und schließlich gefunden. Seitdem sehe ich Hauswände mit anderen Augen.

Die Bilder von Julia Belot sind demnach niemals nur Abbildung der Wirklichkeit, Abbildung um der Abbildung willen. Sie sind feinsinnige Beobachtung und Interpretation der Wirklichkeit. Das gilt in besonderem Maße für die Blumenbilder, denn Julia kennt das, was sie da malt genau, schließlich hat sie Biologie studiert, molekularbiologische Studien und  geobotanische Feldforschung betrieben, Blumen und andere Pflanzen bis ins Kleinste seziert, analysiert und katalogisiert. Und, vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb sie zwangsläufig zur Malerei kommen musste, weil man das Wesen der Dinge im Zerschneiden und Zerstückeln nicht findet.

Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend und viel Vergnügen, beim Betrachten der Bilder, bei der Musik und vor allem im Gespräch miteinander. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Gemälde von Julia Belot: Papierburg, Öl auf Leinwand, 80 cm x 80 cm, 2003

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